Alles andere

Nur einmal wieder

Morgens am Tisch sitzen und entspannt sein.

Nur einmal wieder ohne diese Anspannung, diese difuse Angst, dieses Unwohle im ganzen Körper, dieses in Alarmbereitschaft sein, nur einmal wieder möchte ich das haben.

Dieser Zustand morgens ist anstrengend, er geht nicht einfach weg er bleibt, auch wenn ich mir hundert mal sage, „ES IST DOCH ALLES GUT“, es interessiert ihn einfach nicht. Er bleibt und reduziert sich erst langsam über den Vormittag, wenn ich Glück habe, sonst bleibt er auch gerne präsent und steigert sich. Dann bringt er noch Begleiter mit, die mir dann das Mittagessen versauen so das ich nicht essen kann und mir das Essen rein zwingen muss, was nur so semi gut funktioniert weil ich anfange zu würgen und absolut nix mehr schlucken kann. Da taucht dann der nächste Begleiter auf und flüstert „siehste du hast gar kein Essen verdient, lass es einfach“. Dann meldet sich einer der es wohl gut mit mir meint aber trotzdem vorwurfsvoll rumtönt „du weißt das du Essen musst sonst geht dein Gewicht noch mehr in den Keller und du kippst um, aber anscheinend willst du das ja, sieht aber nicht schön aus so dürr und die Klamotten schlabbern auch schon und hast du schon mal im Spiegel dein Gesicht gesehen?“ Ich höre mir das an und versuche verzweifelt gegen zu steuern und freundlich mit mir zu sein und gleichzeitig schreie ich innerlich „Haltet die Fresse und verpisst euch! Ich esse nie wieder was ich hab kein Bock mehr auf den Scheiß! Ich will doch nur meine Ruhe haben!“  Und nach aussen höre ich was im Radio gesagt wird, unterhalte mich mit meinem Mann, trinke meinen Kaffee und wirke wohl entspannt dabei, weiß ich aber nicht ich sehe mich ja nicht dabei.

Die Tage beginnen so und warum ich überhaupt aufstehe und mir das antue kann ich nicht sagen. Ist es die Hoffnung das es doch mal einen Tag anders ist, nur einen verdammten Tag?

Morgen ist wieder ein Tag…..


Den obigen Text habe ich im letzten Jahr geschrieben und es ging mir echt Scheiße. So wie seit Anfang 2017. Eine lange Zeit um auszuhalten, sich selbst auszuhalten (ich hasse das und hab meinen Umnut über dieses Wort auch in der Therapie kund getan. Ich war richtig sauer auf die Therapeutin weil sie es immer wieder sagte „manchmal hilft nur aushalten“) und nicht aufzugeben, auch wenn die Stimmen noch so verlockend sind. Dieses Jahr ist noch die zusätzliche Belastung durch Corona, was auch nicht grad leicht ist, wenn man eh schon unter ständiger Hochspannung durch den Tag läuft und die difuse Angst im Nacken sitzt und partou nicht weichen will.

Irgendwann aber begann sich dies Jahr was zu ändern, ich kann noch nicht mal sagen was. Aber es wurde irgendwann weniger mit der hohen Anspannung und der Angst, erst nur vereinzelte Tage und dann immer mehr Tage am Stück. Den genauen Zeitpunkt kann ich nicht sagen, aber wenn ich in mein Asthmatagebuch, dort schreib ich auch täglich meine Stimmung und mein körperliches Befinden rein, schaue dann sind es jetzt schon ein paar Wochen wo es mir ziemlich gut geht, jedenfalls was die hohe Anspannung angeht und die Angst. Stimmungstiefs kommen trotzdem, aber ich steuere gegen indem ich auf mich achte. Ich hab da wohl doch einiges in der Therapie gelernt, auch wenn ich immer zur Therapeutin gesagt hab :“Der Scheiß soll einfach nur weg gehen, ich weiß das alles, das brauchen sie mir nicht sagen! Ich mach doch alles und trotzdem gehts mir Scheiße, es hilft nicht was wir hier so besprechen.“ Jup, ich bin teilweise eine ziemlich zickige Klientin 😀 Aber es ist auch gut gewesen das in der Stunde dann zu sagen, denn so konnte die Therapeutin mir immer wieder andere Gesichtspunkte aufzeigen und mich auf meine rigerosen und perfektioistischen Ansichten stupsen und das die eben nicht sehr förderlich sind beim Prozess damit es mir besser und entspannter geht. Ich baue mir Druck auf der ins unendliche geht und mach mich selber fertig weil nix voran geht. Ja und wenn sie dann noch um die Ecke kam mit „würden sie einem Kind das auch sagen?“ huiii da kam gleich von mir, „Natürlich nicht! Das ist doch voll gemein!“ „Ja und warum sagen sie das dann zu ihrem inneren Kind so? Das hat Angst vor ihnen!“ Peng, das hatte gesessen und ich hab viele Wochen damit verbracht das genau anzuschauen. Wir haben dann später geschafft, das die Kleine zumindest nicht mehr total verängstigt ist und wieder Vertrauen in mich als Erwachsene hat. Genau beschreiben wie das funktioniert kann ich nicht, es ist die Arbeit mit dem Inneren Kind und man muss sich drauf einlassen auch wenn es die ersten male komisch ist, es scheint etwas auszulösen was beim auf sich selbst achten hilft.

Ich hoppel hier schon wieder durch die verschiedenen Bereiche meiner Therapie, merk ich grad 😀 da wollte ich eigentlich gar nicht drauf hinaus, ich wollt eigentlich nur sagen, dieser morgen ist wieder ein Tag ist jetzt endlich für mich da. Und wenn es wieder Tage gibt die so sind wie im oberen Text, dann halte ich das einfach aus und warte bis sie vorüber sind, ich kann das!

Aurelia

2 Kommentare

  1. Liebe Aurelia,
    ich bin über Gaby auf deinem Blog gelandet. Und auch wenn ich bisher nur diesen einen Text von dir gelesen habe, möchte ich dir sagen, ich bewundere dich. Einen so intimen Seelenstriptease, so gefühlvoll, gnadenlos und authentisch zu schreiben und zu veröffentlichen finde ich bemerkenswert.
    Blogkommentare sind eher nicht so meine Art, aber mein inneres Kind hüpft gerade wild im Kreis und möchte sich von Herzen für diesen Text bedanken.
    Hab ein wundervollen Tag (jeden Tag)
    Liebe Grüße voller Sonnenschein
    Lena

    • Moin Lena,
      vielen Dank für deine Worte, da hüpft mein inneres Kind auch grad vor Freude 🙂
      Solche Texte die so intim sind zu schreiben, ist immer ein abwägen, tut es mir gut? oder geht es mir damit schlecht? wenn ich merke es tut nicht gut, wird es auch nicht veröffentlicht. Wie den ersten Teil vom obigen Text, im letzten Jahr geschrieben, aber nicht veröffentlich, weil es mir nicht gut ging ihn auf die Netzwelt los zu lassen. Jetzt war ich aber soweit und fand es kann auch für andere Betroffene hilfreich sein zu lesen, daß aushalten eben doch irgendwann auch belohnt wird.
      Und ich mag das Wort aushalten trotzdem immer noch nicht *stampft trotzig mit dem Fuß auf* 🙂

      Ich wünsche dir auch wundervolle Tage
      liebe Grüße
      Aurelia

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